Der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments fordert, dass Nichterreichbarkeit von Arbeitnehmern in der Freizeit in der Europäischen Union künftig ein Grundrecht werden soll. Die Europaabgeordneten betonen in ihrem Bericht, dass es allen Arbeitnehmern in der EU möglich sein sollte, nach Arbeitsschluss und im Urlaub ihre Arbeitsgeräte abzuschalten, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Insbesondere die Telearbeit, welche während der Corona-Pandemie zum Alltag zahlreicher Europäer geworden ist, habe die Bedeutung einer gesunden Work-Life-Balance unterstrichen. Am 20.01.2021 diskutiert das Plenum den Vorschlag.

Konkret beklagen die Abgeordneten, dass es derzeit keine explizite Rechtsvorschrift der EU zur Nichterreichbarkeit außerhalb regulärer Arbeitszeiten von Arbeitnehmern gibt. und fordern die Europäische Kommission daher in dem legislativen Initiativbericht auf, einen entsprechenden Gesetzesrahmen zu schaffen, der in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten implementiert werden soll. 

Immer online, immer erreichbar

Digitalisierung und technologischer Fortschritt hätten unser (Berufs-) Leben in den letzten zwei Jahrzehnten maßgeblich verändert. Allerdings hätten Smartphones und Co nicht nur eine schnellere und einfachere Kommunikation ermöglicht. Die intensive Nutzung digitaler Geräte führe für viele Arbeitnehmer zu einer Art konstanter „Rufbereitschaft“ – und zwar fernab geregelter Arbeitszeiten.

Daher würden digitale Arbeitswerkzeuge auch erhebliche Nachteile bergen: Durch die erwartete ständige Erreichbarkeit können sich Arbeitszeiten verlängern. Grenzen von Berufs- und Privatleben drohten zu verschwimmen.

Home-Office kann sich negativ auf Work-Life-Balance auswirken

Impulse für die Initiative gab auch die Zunahme der Telearbeit während des Kampfs gegen die Corona-Pandemie. Einer aktuellen Umfrage der Europäischen Stiftung Eurofound zur Folge arbeiten seit dem Ausbruch der Pandemie rund ein Drittel aller Europäer von zu Hause aus. Das Wohnzimmer wird zum Büro – doch das Home Office auch pünktlich zu „verlassen“ fällt schwer. 27% der zu Hause tätigen Befragten gaben demnach an, auch in ihrer Freizeit zu arbeiten, um den Anforderungen ihres Jobs gerecht zu werden. Vor Arbeitsbeginn wird dann schon mal eine E-Mail verschickt oder nach Feierabend noch ein Anruf angenommen.

Telearbeit – komfortabel oder ungesund?

Grenzen im Home-Office zu ziehen sei wichtig, um die psychische und physische Gesundheit von Arbeitnehmern zu schützen, betont daher der Bericht des Beschäftigungsausschusses. Zwar habe digitales Arbeiten vielerlei Vorteile, wie zum Beispiel eine erhöhte Flexibilität oder kürzere Pendelzeiten, jedoch seien die Risiken der Telearbeit für Körper und Geist nicht zu unterschätzen.

Schlafmangel, emotionale Erschöpfung, Burn-out, Muskelverspannungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats – die Liste der möglichen Folgen bei zu langer Nutzung digitaler Geräte sei lang. Nach Ende der Arbeitszeit sollte die Devise für Arbeitnehmer daher lauten: abschalten. Eine europaweite Regelung könnte helfen, dass das mit gutem Gewissen und ohne Angst vor negativen Folgen möglich ist.

Sollte das Plenum des Parlaments am 20.01.2021 für die legislative Initiative stimmen, muss die EU-Kommission einen entsprechenden Rechtsakt vorlegen oder begründen, warum sie den Forderungen des Parlaments nicht nachkommt.

 

Quelle: Pressemitteilung des EP v. 15.01.2021