Das Verwaltungsgericht Minden stärkt die Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG), indem es den Lehrereinstellungserlass für Ersatzschulen für nicht anwendbar erklärt. Auch aus einer analogen Anwendung des § 19 LABG lässt sich keine Regelung für sogenannte „Altlehrkräfte“ an Ersatzschulen ableiten. Der Fall ist hingegen von § 102 Abs. 1, Abs. 2 SchulG umfasst. Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Regelungen kann nur eine gleichwertige Ausbildung verlangen. Diese ist bei einer Lehramtsbefähigung für die Sek I, mit dem Schwerpunkt Realschule nach alter Rechtslage, auch für die Sek. I des Gymnasiums anzuerkennen.
Ein Ersatzschulträger (Klägerin) beabsichtigt die Einstellung einer ehem. Realschul-Schulleiterin (Besoldung: A15 LBEsG NRW) für die Sekundarstufe I eines von ihm geführten Gymnasiums. Bei dem Wechsel handelt es sich um einen Wechsel der Schulform innerhalb des selben Trägers.
Die Bezirksregierung lehnt den „Antrag“ mit der Begründung ab, dass nach dem Lehrereinstellungserlass des Ministeriums für Schule und Bildung in NRW vom 24. Dezember 2017 (Lehrereinstellungserlass) SI-Lehrkräfte nicht an Gymnasien eingestellt werden könnten.
Das Gymnasium bereite ab Klasse 5 auf das Abitur vor, daher könnten nur SII-Lehrkräfte an dieser Schulform eingesetzt werden. Die begehrte Unterrichtsgenehmigung könne für den vorliegenden Fall nicht erteilt werden.
Die Lehrerin verfügt über eine Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I, die vor der Umstellung von der schulstufen- zur schulformbezogenen Lehrerausbildung zur Erteilung von Unterricht in den Schulformen der entsprechenden Schulstufe berechtigte, also auch in der Sekundarstufe I eines Gymnasiums.
Sie hat in Konsequenz dessen – nach alter Rechtslage – eine Ausbildung durchlaufen und Prüfungen abgelegt, die sie auf die Erteilung von Unterricht am Gymnasium in der Sekundarstufe I vorbereitet haben.
Dies ist nach der Auffassung der Klägerin der Nachweis über eine gleichwertige Vor- und Ausbildung sowie über gleichwertige Prüfungen, die in § 102 Abs. 2 Satz 1 SchulG für die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung gefordert werden.
Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass sie ihre Ausbildung mit dem Schwerpunkt Realschule absolviert hat.
Dem entgegen stehen der Lehrereinstellungserlasses und das Lehrerausbildungsgesetzes, das bereits vor der Umstellung der Lehrerausbildung eine Verwendung der Lehrkräfte vorrangig unter Berücksichtigung dieses Schwerpunktes vorsieht.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Anspruch folge aus Art. 7 Abs. 4 GG i.V.m. mit den §§ 102 Abs. 1 Satz 3, Abs. 1 Satz 1 des SchulG NRW. Die Lehrerin werde entsprechend ihrer Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I auch in einer Sekundarstufe I eingesetzt. Dabei sei es unerheblich, dass es sich bei der Schule, an dem der Einsatz erfolge, um ein Gymnasium handele.
Mit der Versagung der Unterrichtsgenehmigung scheitert auch der Antrag auf Refinanzierung, weil die Ersatzschulfinanzierungsverordnung (FESchVO) die Bezuschussung an die erteilte Genehmigung knüpft.
Das Verwaltungsrecht stellt fest, dass die Lehrkraft entgegen der ablehnenden Bescheide ab dem 1. August 2018 in der Sekundarstufe I des Gymnasiums in ihren Fächern „zuzulassen“ ist sowie die Personalkosten gemäß den §§ 105, 106 ff. SchulG entsprechend zu refinanzieren sind.
Die Unterrichtsgenehmigung ist aber nur für die Zukunft zu erteilen.
Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung der von ihr beantragten Unterrichtsgenehmigung folgt aus § 102 Abs. 1 Satz 1 SchulG. Demnach bedürfen u.a. Lehrerinnen und Lehrer von Ersatzschulen zur Ausübung ihrer Tätigkeit der Genehmigung der oberen Schulaufsichtsbehörde, wenn nicht die Voraussetzungen des Satzes 3 vorliegen und es lediglich der Anzeige der Ausübung der Tätigkeit bedarf.
Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SchulG sind die Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer erfüllt – und damit die Voraussetzungen für die Erteilung der Unterrichtsgenehmigung gegeben –, wenn eine fachliche, pädagogische und unterrichtliche Vor- und Ausbildung sowie die Ablegung von Prüfungen nachgewiesen werden, die der Vor- und Ausbildung und den Prüfungen der Lehrerinnen und Lehrer an den entsprechenden öffentlichen Schulen im Wert gleichkommen.
Dies zugrunde gelegt, sind die Voraussetzungen für die Erteilung der Unterrichtsgenehmigung für den Einsatz der Lehrerin in der Sekundarstufe I am Gymnasium gegeben. Die Klägerin hat den Nachweis erbracht, dass die Lehrkraft über gleichwertige Vor- und Ausbildung sowie über gleichwertige Prüfungen i.S.d. § 102 Abs. 2 Satz 1 SchulG verfügt.
Der Lehrereinstellungserlass, der einer Einstellung entgegen stehen würde, sei ferner für Ersatzschulen nicht bindend. Damit entfällt auch die Regelung, dass Funktionsstelleninhaber:innen vorrangig auf einer solche Stelle eingesetzt werden sollen. Nur die Regelung des Art. 7 Abs. 4 GG, konkretisiert durch § 102 Abs. 2 SchulG, müssten berücksichtigt werden. So sind die Qualifikationsanforderungen an Lehrer allein an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu bemessen. Danach hätten Ersatzschulen einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, soweit sie – neben der Erfüllung weiterer Voraussetzungen – in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstünden.
Der Fall, dass eine Lehrerin bzw. ein Lehrer einen Wechsel der Schulform beabsichtigt, ohne jedoch den Ersatzschulträger zu wechseln, ist von den Regelungen des § 102 Abs. 1, Abs. 2 SchulG umfasst.
Eine rückwirkende Erteilung der Genehmigung sei aber nicht möglich. Sie widerspräche dem Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 1 SchulG, der darin zu sehen ist, dass zum Schutz von Schülerinnen und Schüler genehmigter Ersatzschulen sich die Schulaufsicht von der gleichwertigen Qualifikation der Lehrkraft vor Unterrichtseinsatz überzeugen können soll. Zum Ausdruck gebracht hat dies der Gesetzgeber auch mit der geltenden Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 FESchVO (mit Wirkung vom 7. Februar 2015 in Absatz 3 Satz 2 der Vorschrift), wonach die Bezuschussung von Personalkosten voraussetzt, dass der Ersatzschulträger auch die Unterrichtsgenehmigung nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SchulG besitzt, oder – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 3 SchulG – dessen Tätigkeit der oberen Schulaufsichtsbehörden angezeigt hat
Zusammenfassung: Die Vorschriften des LABG sowie des Lehrereinstellungserlasses sind auf Lehrerinnen und Lehrer an Ersatzschulen nicht unmittelbar anwendbar. Maßstab ist – wie oben ausgeführt – allein die Frage, ob ihre Vor- und Ausbildung sowie die von ihnen abgelegten Prüfungen mit der Vor- und Ausbildung sowie der abgelegten Prüfungen von Lehrkräften des öffentlichen Schulwesens gleichwertig sind. Eine rückwirkende Erteilung der Unterrichtsgenehmigung, die auch die Bezuschussung der Personalkosten auslösen würde, ist nach Ansicht des VG Minden nicht mit dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 S. 1 SchulG vereinbar. Gegen diese Ansicht des Gerichts, dass eine Genehmigung nicht rückwirkend ausgesprochen werden kann, haben wir Berufung beim Oberverwaltungsgericht NRW eingelegt.