In einer schriftlichen Mitteilung, die an die Öffentlichkeit gelangt ist, fordert die Schulleitung eines Gymnasiums in Wuppertal Lehrer auf, öffentlich sichtbares Beten der muslimischen Schüler zu unterbinden.
Hierzu möchten wir zur Versachlichung der Problematik auf folgende rechtliche Aspekte hinweisen:
Zu dieser Problematik hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30.11.2011 – Az.: BVerwG 6 C20.10 Stellung bezogen. Es hat ausgeführt, dass der Schulfriede als Grenze der Religionsausübungsfreiheit dienen kann. Das Anliegen des Betens in der Schule werde zwar vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Religionsausübung erfasst. Dieses Grundrecht könne jedoch zum Schutz von Grundrechten Dritter und von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang eingeschränkt werden. Die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude beeinträchtige die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler. Diese haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, von Äußerungen eines Glaubens verschont zu bleiben, den sie nicht teilen. Das vom Grundgesetz gewährleistete Elternrecht verleihe zudem den Eltern die Befugnis, ihre Kinder von Glaubensäußerungen fernzuhalten, die sie als falsch oder schädlich ansähen. Die deshalb erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit und den betroffenen Grundrechten Dritter falle zu Lasten der Grundrechte des Betenden aus. An der von ihm besuchten Schule sei unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Dies würde die Gefahr der Austragung religiös motivierter Konflikte erhöhen. Daher sei eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens zu besorgen oder gar bereits eingetreten. Diese Konfliktlage verschärfe sich, wenn dem Ansinnen der „Betenden“ Rechnung getragen würde.
Daher ist die Entscheidung der Schule vom Ergebnis her durchaus nachvollziehbar, die Begründung ist allerdings im Detail nicht bekannt.
Das Gericht hat zwar die hohe Bedeutung des Grundrechts der Glaubensfreiheit betont. Das Grundrecht bestehe grds. vorbehaltlos. Einschränkungen können sich aber in einer Gesamtschau aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die negative Glaubensfreiheit allein reiche nicht aus. Ebenso wenig finde das Grundrecht eine Schranke allein in dem elterlichen Erziehungsrecht und auch nicht aus dem Gebot religiöser Neutralität, das den Staat verpflichtet. Das Grundrecht des Klägers auf Glaubensfreiheit sei aber zum Schutze des Schulfriedens eingeschränkt, der zu den Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang gehöre.
Der gesellschaftliche Wandel, der mit einer zunehmenden religiösen Pluralität verbunden sei, ist Anlass, die Sache im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen. Religiöse Vielfalt in der Schule ist gewollt und wird in der Schule in Wuppertal offenbar auch praktiziert. Die größere Pluralität berge, so das Gericht, aber die Gefahr möglicher Konflikte in der Schule. Es gebe gute Gründe dafür, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß religiöse Bezüge, die von Schülern in die Schule hineingetragen werden, aus der Schule grundsätzlich fernzuhalten (vgl. BVerG Urteil vom 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BverfGE 108,282,310).
Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrages nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist (vgl. BVerfG Urteil vom 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02; BVerfGE 108,282,303). Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann.
Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden. Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung (Urteil vom 24.6.2004 – BverwG 2 C 45.03 – BverwGE 121,140,152).
Die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar.
Daher könnte die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur oder an anderen Örtlichkeiten der Schule eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr für den Schulfrieden weiter verschärfen.
Die Gerichte haben aber Tatsachen zu ermitteln, die die o.g. Gefahr heftiger Konflikte, die ggfs. bereits ausgetragen werden, begründen können.
Zu prüfen sind auch die Möglichkeiten der Anwendung erzieherischer Mittel, religiös motivierte Konflikte zu unterbinden.
Nicht jedes religiös geprägte Verhalten eines Schülers ist „an sich“ eine Gefährdung des Schulfriedens. Anders liegen Fälle von bewusster oder gewollter Provokation.
Der Schule sind aber Grenzen gesetzt, religiös geprägten Konflikten mit erzieherischen Mitteln entgegenzuwirken. Dies ist gerichtlich festzustellen.
Es kommt nach Auffassung des Gerichts lediglich darauf an, dass in dem herrschenden Klima an der Schule die Verrichtung eines rituellen Gebets objektiv geeignet ist, den Schulfrieden zu gefährden bzw. weiteren Unfrieden zu stiften. Die Schule ist auch nicht verpflichtet, Räume für das Gebet eigens zu schaffen. Der Kläger muss die Schule so hinnehmen, wie sie ist.
Aus dem Schulgesetzt ergeben sich Rechte und Pflichten für die Schüler (§ 42 SchulG NRW).
Das Gericht hat daher unter Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen aus dem Schulgesetzt in Verbindung mit der Schulordnung und des Hausrechts bestimmt, dass die Verrichtung des Gebets auf den Fluren des Schulgebäudes nicht zulässig ist.
Insofern kann nach Maßgabe der obigen Ausführungen die Glaubensfreiheit durchaus eingeschränkt werden, wenn es um die Abwehr der Gefahren für das Schutzgut „Schulfrieden“ geht.
Kommentar zur Rechtslage von Peter Skutta
– Fachanwalt für Arbeitsrecht