Am Mittwoch, 15. April 2020, hat das Bundesverfassungsgericht einem Antrag (-1 BvR 828/20) gegen ein verhängtes Versammlungsverbote teilweise stattgegeben. In einem Eilverfahren revidierten die Richter zum Teil die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Gießen und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, die mehrere Demonstrationen unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ untersagten.
Hintergrund: Der Kläger, gleichzeitig auch Organisator der Kundgebungen, hatte am Samstag, 4. April 2020, insgesamt vier Demonstrationen für den Zeitraum vom 14. bis zum 17. April angemeldet, die jeweils von 14 bis 18 Uhr stattfinden sollten. „Er gab eine ungefähre Teilnehmerzahl von 30 Personen an“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts, und weiter: „Zugleich informierte der Beschwerdeführer die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahren über beabsichtigte ,Infektionsschutzmaßnahmen auf Grund der CoViD19-Pandemie (Corona-Kompatibilität)‘.“ So sollten die Teilnehmer der Demonstration durch Hinweisschilder auf Sicherheitsabstände hingewiesen- und von Ordnern auf entsprechende Positionen navigiert werden. Redebeiträge würden zudem per Handy auf Lautsprecher übertragen. Die Veranstalter zeigten sich zudem für weitere Impulse seitens der Behörden offen.
Die Verantwortlichen der Stadt Gießen sahen durch die geplante Veranstaltung hingegen „die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet“, heißt es in der Erklärung des Bundesverfassungsgerichts, „da die Versammlungen gegen § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14. März 2020 in der Fassung der Verordnung vom 30. März 2020 verstoßen würden.“
Der Organisator erhob daraufhin Widerspruch, blieb jedoch vor dem Gießener Verwaltungsgericht erfolglos. Die darauffolgende Beschwerde wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof zurück und somit ging der Verhandlungsgegenstand vor das Bundesverfassungsgericht: „Der Beschwerdeführer hat am 14. April 2020 Verfassungsbeschwerde erhoben. Zugleich beantragt er sinngemäß, durch einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs – gegebenenfalls unter Auflagen – wiederherzustellen.“
Und dort bekam er teilweise Recht: „Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts. Nach Auffassung der Verfassungsrichter in Karlsruher ist der Kläger, gleichzeitig auch der Organisator der Demonstrationen, „offensichtlich in seinem Grundrecht aus Artikel 8 Grundgesetz verletzt“, heißt es von Seiten des Bundesverfassungsgerichts. Nach Art. 8 Abs. 2 GG könne dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel zwar durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden, aber „die Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14. März 2020 in der Fassung der Verordnung vom 30. März 2020 enthält jedenfalls kein generelles Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel für mehr als zwei nicht dem gleichen Hausstand angehörige Personen“, so die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts.
Zwei Tage später, am 17.04.2020, kippte das Bundesverfassungsgericht (- 1 BvQ 37/20-, Rn. (1-29)) auch ein Demonstrations-Verbot in Stuttgart. „Der Antragssteller wendete sich mit einem isolierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart und des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg betreffend die Zulässigkeit einer Versammlung“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
Wie in Hessen, sollten auch hier die nötigen „Hygieneregeln“ beachtet werden. Doch laut Aussage des Antragstellers sei ihm „von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens telefonisch mitgeteilt worden, dass dort über aktuelle Versammlungen nicht entschieden werde, weil diese verboten seien“, so das Bundesverfassungsgericht. Einen ablehnenden Bescheid habe der Antragssteller nicht erhalten, „weil sich das Verbot von Versammlungen aus der Corona-Verordnung der Landesregierung ergebe“, heißt es weiter.
Dieses Vorgehen der Stadt Stuttgart verletze die Grundrechte des Klägers auf Versammlungsfreiheit, entschied die Rechtsprechung in Karlsruhe. Das erlassene Verbot der Stadt wurde zurückgenommen.