Die Impfung gegen das Coronavirus ist bislang freiwillig und laut Bundesgesundheitsminister wird es in dieser Pandemie auch keine Impflicht geben. Die Bundesregierung hat Privilegien für Geimpfte bislang stets abgelehnt – unter anderem auch, weil noch nicht bekannt ist, ob diese Menschen dennoch andere anstecken könnten.  In diesem Zusammenhang hat Außenminister Heiko Maas einen interessanten Punkt aufgeworfen: Sofern geimpfte Menschen andere nicht infizieren können, ist es dann noch rechtlich zulässig, sie weiterhin in ihren Grundrechten genauso einzuschränken wie Ungeimpfte? Dass sich Gerichte in absehbarer Zeit mit dieser Frage befassen werden, halten wir für sehr wahrscheinlich.  Gerichte sind verpflichtet, Grundrechte stets aufs Neue abzuwägen und zu prüfen, ob Maßnahmen verhältnismäßig sind.

Grundrechte sind subjektive Rechte des Einzelnen, das heißt, die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung muss sich in der Abwägung mit den Interessen des Einzelnen ergeben. Bei einem Geimpften würden dann sämtliche Rechtfertigungen für die Einschränkung seiner Grundrechte entfallen. Das Grundrecht auf Gleichbehandlung dürfte nicht mehr greifen, weil Geimpfte und Ungeimpfte nicht mehr gleich sind. Eventuell könnte im Hinblick auf zu wenig gesicherter Erkenntnisse in Bezug auf die Wirkung der Impfung aus Vorsicht (Gesundheitsschutz) für eine gewisse Übergangszeit eine Aufrechterhaltung der Beschränkung wie bei Ungeimpften noch zu rechtfertigen sein, aber sicherlich nicht auf Dauer. Ein weiterer Grund für die Aufrechterhaltung von Einschränkungen für Geimpfte könnte auch eine drohende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung sein, wenn die Bevölkerung in zwei Klassen geteilt würde, zumal die Reihenfolge der Impfung staatlicherseits ohne Mitsprachemöglichkeit vorgegeben wurde.

Private Anbieter dürfen Kunden auswählen

Aber wie verhält es sich mit Dienstleistungen, die von Unternehmen angeboten werden? Dürfen beispielsweise Hotels oder Fluggesellschaften Nicht-Geimpfte von der Reise ausschließen? Bereits letztes Jahr im November hat eine Airline die Corona-Impfpflicht für Flugreisende angekündigt. Auch waren bereits Medienberichte zu lesen, nach denen der Besuch von Restaurants, Cafés oder Kinos künftig nur für Geimpfte möglich sein könnte.

Für Private gilt in Deutschland der Grundsatz der Vertragsfreiheit, auch für privatrechtlich organisierte Betriebe, Firmen und Unternehmen, je nach Branche und Bedeutung/Größe allerdingsteilweise nur mit Einschränkungen. Grundsätzlich aber darf sich jeder frei aussuchen, mit wem man Verträge schließt und mit wem nicht. Das bedeutet, dass grundsätzlich niemand gezwungen werden kann, bestimmte Kunden zu akzeptieren.

Grenzen setzen aber allgemeine Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben/Billigkeit sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nach dem unter anderem Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts unzulässig sind.

Unter Beachtung dieser Grenzen wäre es nach aktueller Rechtslage durchaus vorstellbar, dass private Anbieter Nutzungs- oder Vertragsbedingungen aufstellen, die eine Corona-Impfung zwingend voraussetzen. Will man dies verhindern, müsste man massiv in die zivilrechtliche Vertragsfreiheit eingreifen, was zu erheblichen – auch verfassungsrechtlichen – Bedenken führen könnte.

 

Können private Ersatz- oder Ergänzungsschulen auf Impfpflicht bei Schülern bestehen?

Auch die privatrechtlich organisierten Schulen können sich grundsätzlich ihre Schüler aussuchen (Stichwort: Privatschulfreiheit). Kann in Schulverträgen aber eine Verpflichtung zur Coronaschutzimpfung aufgenommen und können bestehende Verträge dementsprechend geändert werden?

Grundsätzlich dürfte für private Schulträger Ähnliches gelten wie vorstehend für private Dienstleister generell. Möglicherweise könnten Einschränkungen der Privatschulfreiheit dann gelten, wenn die vergleichbaren öffentlichen Schulen entsprechende Vorgaben (hier: Impfpflicht für Schüler) erhielten. Denkbar wäre unter Umständen auch eine Verordnung auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), wonach eine Impfpflicht für Schüler (und ggf. Lehrer) angeordnet wird. Jedenfalls dann dürfte eine im Schulvertrag festgelegte Impfpflicht zulässig sein.

Dürfen Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern Corona-Impfungen verlangen?

Unser Auffassung nach ist das derzeit nicht zulässig, da das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch eine betriebliche Impfpflicht zu sehr eingeschränkt wäre – das hängt aber auch von dem weiteren Infektionsgeschehen ab. Außerdem vorstellbar ist eine regelmäßige Testung des Personals, etwa in Pflegeberufen sowie ein Impfnachweis als Einstellungskriterium.

Abzuwägen wäre bei einer betrieblichen Impfpflicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegen das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Gesundheitsschutz). Denkbar wäre allerdings eine behördliche Anordnung aufgrund gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder im Infektionsschutzgesetz (IfSG), vor allem für Personal in sensiblen und relevanten Bereichen (Krankenhäuser, Pflegeheime, etc.). Es könnte angesichts der aktuellen Infektionslage oder im Falle einer Verschlimmerung bei solchen Mitarbeitern auch an eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Impfung eingeführt werden, aufgrund der besonderen Umstände ihres Arbeitsumfeldes oder ihres Arbeitseinsatzes beziehungsweise ein Arbeitsverbot ohne Impfung.

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.12.2020 (Az. 4 Ga 18/20) ist ein Arbeitgeber zumindest berechtigt, seine Arbeitnehmer zum Tragen eines Mundschutzes während der Arbeit in den Büroräumen am Arbeitsplatz zu verpflichten. Dabei sei dem Gesundheitsschutz jedenfalls in der aktuellen Pandemielage ein Vorrang gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einzuräumen. Bei einer weiteren Verschärfung des Infektionsgeschehens wäre eine vom Arbeitgeber angeordnete betriebliche Impfpflicht mit derselben Abwägung durchaus vorstellbar.