Der Beschluss (Az.: 9 F 148/21), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, betrifft zwei Kinder einer Familie, die eine staatliche Grund- und Regelschule in Weimar besuchen. Danach wird den „Leitungen und Lehrern“ der beiden Schulen, die die Jungen besuchen, untersagt anzuordnen, „im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund-Nasen-Bedeckungen, sogenannte qualifizierte Masken (OP-Maske oder FFP2-Maske) oder andere, zu tragen“. Auch Mindestabstände sowie die Teilnahme an Corona-Schnelltests sollen danach nicht angeordnet werden dürfen.

§ 1666 BGB als Rechtsgrundlage

Warum sich ein Amts- und nicht wie sonst üblich ein Verwaltungsgericht mit einer Klage zu erlassenen Corona-Regeln beschäftigt hat, erklärt sich nach einer Pressemitteilung des AG aus der angewendeten Rechtsgrundlage: Der Einzelrichter habe § 1666 BGB angewandt. Diese Vorschrift beschäftigt sich eigentlich mit der Gefährdung des Kindeswohls durch Eltern. Nach § 1666 Abs. 4 BGB kann das Gericht aber in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen. In der 192 Seiten umfassenden Entscheidung gehe der Einzelrichter davon aus, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört und habe die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verneint. Der Beschluss sei grundsätzlich nicht anfechtbar. Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, sei auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Es gebe mehrere weitere Verfahren „zum gleichen Gegenstand“, sagte die Sprecherin des Amtsgerichts Weimar, Inez Gloski am Montag.

Bildungsministerium mit erheblichen Zweifeln an Entscheidung

Das Bildungsministerium in Thüringen weist darauf hin, dass, wie jede gerichtliche Entscheidung, auch dieser Beschluss rechtliche Wirkung allein für die am Verfahren Beteiligten entfalten könne. Vorliegend seien das zwei Schüler. Der Beschluss habe keine Auswirkungen auf die Infektionsschutzmaßnahmen, die für die Thüringer Schulen insgesamt angeordneten wurden. Der Beschluss werfe gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf. So beschränke sich die Zuständigkeit des Familiengerichts in Sorgerechtsverfahren auf Fragen des Sorgerechts.  Die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung obliege dagegen den Verwaltungsgerichten. Auch könnten nur konkret benannte natürliche oder juristische Personen Adressat von gerichtlichen Ge- oder Verboten sein. Die „Leitungen und Lehrer“ zweier Schulen, an die sich der Beschluss richte, erfüllten diese Grundvoraussetzung nicht. Ob die Entscheidung angesichts dieser und weiterer verfahrensrechtlicher Probleme überhaupt rechtliche Wirkung entfalte und Bestand haben könne, müsse obergerichtlich überprüft werden. Das Bildungsministerium will daher schnellstens eine obergerichtliche Prüfung des Beschlusses anstrengen.

Quelle: Redaktion beck-aktuell, 12. Apr 2021 (dpa)