Mit seiner Entscheidung vom 12.06.2020 (Az.: 13B 779/20.NE) lehnte das OVG NRW den Antrag von vier Kindern und deren Erziehungsberechtigten zur sofortiger Wiederaufnahme der Beschulung im Präsenzunterricht zwar ab, verweist aber darauf, dass die Wiederaufnahme des Unterrichts in festen Lerngruppen – wie ab dem 15.06.2020 in den Schulen der Primarstufe – auch in der Sekundarstufe I möglich sein dürfte.

Nach Auffassung des Gerichts sind die derzeit geltenden Vorgaben der Coronabetreuungsverordnung voraussichtlich noch verhältnismäßig. Dabei wurde die noch bis zum 14.06.2020 geltende Rechtslage zugrunde gelegt. Über die am 15.06.2020 in Kraft tretenden Änderungen der Coronabetreuungsverordnung hatte es nicht zu entscheiden. Ab dem 15.06.2020 muss – unabhängig von der Schulform – im Kern nur noch gewährleistet sein, dass durch Bildung fester Lerngruppen ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbaren Personenkreis reduziert wird; Mindestabstände sind im Unterricht dann nicht mehr einzuhalten.

Die Annahme, dass vom Schulbetrieb unter Normalbedingungen eine erhöhte Infektionsgefahr ausgehe, sei voraussichtlich nicht zu beanstanden. Die Einschätzung des Infektionsrisikos von Kindern und Jugendlichen sowie deren Relevanz bei der Übertragung des Virus auf andere Personen lasse sich nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts noch nicht abschließend beurteilen. Angesichts des anhaltenden wissenschaftlichen Diskurses und der Dynamik des Infektionsgeschehens komme dem Verordnungsgeber nach wie vor ein Beurteilungsspielraum zu. Diesen habe er auch nicht dadurch überschritten, dass er aufgrund einer Neubewertung der Lage (erst) ab dem 15.06.2020 die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern in Unterrichtssituationen in den Klassen- bzw. Kursräumen nicht mehr für erforderlich halte. Der Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers beziehe sich nicht nur auf Art und Umfang der für notwendig erachteten Beschränkungen, sondern auch auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Maßnahme im Anschluss an eine solche Neubewertung gelockert werde. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die zunächst verordnete Schulschließung ab dem 16.03.2020 sowie der daran anschließende, seit dem 07.05.2020 schrittweise auf alle Jahrgänge ausgeweitete, eingeschränkte Präsenzunterricht zum Teil gravierende soziale und auch ökonomische Folgen für Schüler und Eltern haben könne. Diese nachteiligen Folgen würden aber zumindest in Teilen durch digitale Unterrichts- und Lernangebote (sog. Lernen auf Distanz) abgefedert. Hinzu komme, dass die vorliegend angegriffenen Bestimmungen der Verordnung bereits zum 15.06.2020 durch Neuregelungen ersetzt würden, die wegen des Verzichts auf Mindestabstände ein deutliches Mehr an Präsenzunterricht in den Schulen ermöglichten.

Dass im Anschluss an die Neuregelung der infektionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen zum 15.06.2020 die Schulen der Primarstufe nach den Erklärungen des Schulministeriums wieder zu einem Regelbetrieb zurückkehrten, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es bedürfe deshalb keiner Entscheidung, was daraus gegebenenfalls zukünftig für die Frage des Präsenzunterrichts an den allgemeinbildenden weiterführenden Schulen folge. Lediglich vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben der Coronabetreuungsverordnung einer Ausweitung des Präsenzunterrichts insoweit aus Rechtsgründen nicht entgegenstehen dürften. Ab dem 15.06.2020 müsse – unabhängig von der Schulform – im Kern nur noch gewährleistet sein, dass durch Bildung fester Lerngruppen ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbaren Personenkreis reduziert wird. Dies dürfte bei entsprechender schulorganisatorischer Ausgestaltung in einem substantiellen Umfang (zumindest) auch in der Sekundarstufe I möglich sein.

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 12.06.2020