Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat am 01.09.16 entschieden, dass die Stadt Mainz die Kosten für Besuch zweier Kinder im Waldorfkindergarten Mainz übernehmen muss, da sie selbst keine Kindergartenplätze zur Verfügung stellen konnte.
Die berufstätigen Eltern der Kläger, im September 2011 geborene Zwillinge, meldeten diese im Oktober 2011 bei der beklagten Stadt für Kindergartenplätze ab dem zweiten Lebensjahr an. Aufgrund fehlender Kapazitäten konnte die Stadt Mainz der Forderung nicht nachkommen. Daher meldeten wurden die Kläger im Waldorfkindergarten Mainz angemeldet, den sie von September 2012 bis August 2013 besuchten.
Jener Waldorfkindergarten ist als Einrichtung eines freien Trägers der Jugendhilfe im Kindertagesstättenbedarfsplan der beklagten Stadt ausgewiesen. Nach der Satzung des Waldorfkindergartens e. V. beginnt die Mitgliedschaft der Erziehungsberechtigten in dem Verein sobald das Kind in eine Einrichtung des Vereins eintritt. Kindergarten-Regelbeiträge werden vom Verein nicht erhoben, jedoch müssen die Eltern als Vereinsmitglieder laut „Beitragsordnung“ „Mitgliedsbeiträge“ bezahlen.
Die Eltern beantragten bei der Stadt Mainz die Übernahme der Kosten für den Besuch des Waldorfkindergartens, darunter auch die oben genannten „Mitgliedsbeiträge“ an den Verein. Diesen Antrag lehnte die Beklagte allerdings ab, da der besuchte Waldorfkindergarten Zuschüsse vom Land Rheinland-Pfalz und der Stadt erhalte. Der Besuch des Kindergartens sei beitragsfrei im Sinne der Vorschriften des Kindertagesstättengesetzes. Somit werde mit dem Besuch eines öffentlich geförderten Kindergartens der gesetzliche Anspruch auf einen beitragsfreien Betreuungsplatz erfüllt. Zusätzliche freiwillige Kosten könne die Beklagte nicht erstatten.
Daraufhin legten die Eltern Klage auf Erstattung der Beiträge ein. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung der Stadt Mainz zurück.
Die Kläger hätten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Besuch des Waldorfkindergartens. In Rheinland-Pfalz hätten Kinder ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten. Der Besuch des Kindergartens sei laut dem Kindertagesstättengestz beitragsfrei. Ein Kindergartenplatz in zumutbarer Entfernung sei vom Jugendamt zur Verfügung zu stellen. Werde dies nicht gewährleistet, bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen selbstbeschafften Platz in einem privaten Kindergarten, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf in Kenntnis gesetzt worden sei und kein zeitlicher Aufschub möglich sei. Im Fall der Kläger seien die Voraussetzungen erfüllt.
Der Anspruch auf einen kostenfreien Kindertagesstättenplatz sei durch den Besuch des Waldorfkindergartens nicht erfüllt worden. Die Eltern der Kläger hätten zwar für den Besuch des Kindergartens als solchen keine Beiträge zahlen müssen. Allerdings hätten sie ohne die Zahlung der „Mitgliedsbeiträge“ die Kindergartenplätze nicht erhalten. Somit sei der Besuch des Waldorfkindergartens nicht kostenfrei. Zusätzlich hätten die Eltern die Plätze im Waldorfkindergarten nicht freiwillig statt kostenfreien Plätzen in einem kommunalen Kindergarten gewählt und seien nicht bereit gewesen, die verlangten „Mitgliedsbeiträge“ zu bezahlen. Die Bezuschussung der Beklagten und des Landes Rheinland-Pfalz ändere außerdem nichts daran, dass der Waldorfkindergarten e. V. Mitgliedsbeiträge zur Finanzierung des von ihm aufzubringenden Anteils an Personal- und Sachkosten erheben müsse.
Urteil vom 1. September 2016, Aktenzeichen: 7 A 10849/15.OVG
Quelle: Pressemitteilung des OVG Rheinland-Pfalz vom 07.09.2016