Beamtenrecht: ADHS-Erkrankung kein zwingendes Hindernis für die Aufnahme in den Polizeivollzugsdienst

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einer Einstellung in den Polizeivollzugsdienst nicht per se entgegen steht.

IustitiaDer 1993 geborene Kläger bewarb sich 2014 für den gehobenen Dienst der Schutzpolizei im Land Berlin. Der Beklagte lehnte seine Bewerbung unter Berufung auf dessen Erkrankung an ADHS ab. Der Kläger könne aufgrund der Erkrankung Aufgaben und Tätigkeiten nicht ausführen, die besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und die Merkfähigkeit stellten. Auch sei er komplexen Arbeitsvorgängen nicht gewachsen, die mit einem Drei-Schicht-Betrieb und mit Zeitdruck verbunden seien. An Polizisten seien zudem wegen deren Befugnis, Waffen zu tragen, besondere Anforderungen an die gesundheitliche Eignung zu stellen. Der Kläger berief sich demgegenüber darauf, dass die Erkrankung lediglich bis zu seinem 19. Lebensjahr medikamentös behandelt worden sei; seitdem hätten sich keine Symptome mehr gezeigt.

Nach Ansicht des Gerichts war die Nichteinstellung des Klägers rechtswidrig, da nach den Feststellungen des eingeholten Sachverständigengutachtens aktuell keine Dienstunfähigkeit vorliege. Die Krankheit habe zwar im Kindes- und Jugendalter vorgelegen, er weise jedoch keine Symptomatik einer ADHS im Erwachsenenalter mehr auf. Neuropsychologische Tests bescheinigten dem Kläger in allen Bereichen normgerechte oder sogar überdurchschnittliche Ergebnisse und gerade keinerlei für ADHS typische neuropsychologische Defizite. In seinem Fall sei auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen werde. Auch wenn ein erneuter Ausbruch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, sei dies mit Blick auf seinen aktuellen Gesundheitszustand unwahrscheinlich.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 6. Juni 2016, Az. 26 K 29.15

Quelle: Pressemitteilung (Nr. 27/2016) des VG Berlin vom 20.06.2016

Rechtslage in NRW:

In NRW regelt das Beamtenstatusgesetz in Verbindung mit der Verordnung über die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen (Laufbahnverordnung der Polizei – LVOPol) die Einstellung in den Polizeidienst.

Im § 3 LVOPol steht dazu:

(1) In den Polizeivollzugsdienst kann eingestellt werden, wer

1. die nach dem Landesbeamtengesetz erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis erfüllt,

2. für den Polizeivollzugsdienst geeignet ist,

3. polizeidiensttauglich ist,

4. die nach dieser Verordnung vorgeschriebenen besonderen Einstellungsvoraussetzungen für den jeweiligen Laufbahnabschnitt erfüllt.

(2) Die Bewerberinnen und Bewerber nehmen vor ihrer Einstellung an einem Auswahlverfahren teil.

Im Rahmen der Geeignetheit wäre auch in NRW zu prüfen, ob eine ADHS-Erkrankung die Geeignetheit entfallen ließe. Eine ADHS-Erkrankung könnte aber auch im Sinne der Polizeidiensttauglichkeit relevant sein.